Tobias Dennehy im Interview: Storytelling für Rechtsanwälte
By Christina Toth Geposted in - Blog & mandatum Social Media Award & Marketing & PositionierungTobias Dennehy ist Corporate Story Architect. Er berät zu allen Aspekten rund ums unternehmerische Geschichtenerzählen – von der übergreifenden „Brand Story“ und deren narrativer Beweisführung bis hin zur redaktionellen und organisatorischen Umsetzung. Er bloggt unter storycodeX.com und twittert als @herrdennehy. Außerdem gibt er regelmäßig Kurse zum Thema Video-Storytelling am APA Campus in Wien.
Auch er wird uns beim diesjährigen mandatum-Social Media Award 2016 als Jurymitglied unterstützen.
Bei deinen Kursen berätst du Unternehmen über alle Facetten des Storytellings und hast im Laufe dieser Zeit schon mit den unterschiedlichsten Branchen zusammengearbeitet. Warum könnte Storytelling für Rechtsanwälte interessant sein?
Ganz einfach: Weil Rechtsanwälte und deren Kunden, für die sie kommunizieren, Menschen sind. Das mag überraschend klingen, ist aber so. Und Geschichten sind die Währung menschlichen Kontaktaufnehmens und Inkontaktbleibens. Schon immer. Nicht Fakten und Zahlen, obwohl wir das oft denken. Diese sind für den Kopf und haben meistens den Zweck, uns zu beruhigen, dass wir die richtige Entscheidung für irgendetwas getroffen haben. Eine Entscheidung, die (und das ist empirisch nachgewiesen) sehr oft nicht im Kopf, sondern irgendwo zwischen Bauch und Herz gefällt wird. Es bedarf also für wichtige Entscheidungen im Leben, so auf für oder gegen einen Rechtsanwalt oder den anderen, mehr eines guten Bauchgefühls als einer Klientenreferenzdatenbank. Oder anders gesagt: Es wiegt mehr, wenn mir ein Freund die Geschichte erzählt, wie Rechtsanwalt X ihn gut beraten hat und wie die Geschichte gut ausgegangen ist, als dass ein Rechtsanwalt mir erzählt oder schreibt, wie toll er ist. Der als PR-Grundsatz „Tue Gutes und rede darüber“ muss im Zeitalter sozialer Medien umgedacht und -formuliert werden: „Tue Gutes und lass andere darüber reden“. Und reden ist erzählen.
Anwälte müssen sich in Rechtssachen möglichst eindeutig ausdrücken. Bleibt da überhaupt noch Platz für kreatives Geschichtenerzählen?
Natürlich gilt im Rechtsbereich mehr als in vielen anderen die Anforderung nach Präzision und Korrektheit. Dagegen ist auch nichts zu sagen. Kein Anwalt soll jetzt anfangen, nur noch Geschichten zu erzählen, zumal Verschwiegenheitspflicht und Privatsphäre Mandaten gegenüber Vieles von Haus aus verbieten. Aber „there’s a time and place for everything“, wie der Angelsachse sagt. Oder anders gesagt: Die Mischung macht’s. Wie jeder Mensch, der kommuniziert, muss sich auch ein Anwalt überlegen: Wo erzähle ich was wem mit welchem Ziel? Einem Richter erzähle ich vor Gericht vielleicht eine kleine Anekdote, um zu verdeutlichen, was ich meine, und lass dieser Anekdote dann glasklare Fakten folgen, die das Gesagte kognitiv erhärten. Oder vielleicht nicht mal die Anekdote, kommt drauf an, wie der so drauf ist, das sollte ich natürlich wissen. Und das gilt für jede Zielgruppe, zu der ich spreche: Ich muss sie kennen und wissen, wie sie so tickt und was ich ihr vorsetzen kann oder soll, damit sie darauf anspringt. In einem Social-Media-Kanal einer Kanzlei kann ich sicher andere Töne anschlagen, weichere, narrativere, um meine Kompetenz in diesem oder jenem Gebiet subtil zu unterstreichen – da langweilen Fakten vielleicht eher. Wenn ich auf mich aufmerksam machen, von meiner Besonderheit überzeugen will, schaffe ich das nicht durch Zahlen und Fakten (die haben andere auch), sondern über Geschichten, die authentisch das belegen, was die Zahlen suggerieren.
Wie könnten Kanzleien Storytelling auf Social Media Plattformen einsetzen?
Mist, das habe ich jetzt wohl schon teilweise in vorauseilendem Gehorsam in vorhergehender Frage beantwortet.;) Aber vielleicht nochmal spezifischer: Social-Media-Plattformen wollen ja (für Unternehmen) vor allem eines: Aufmerksamkeit und Reichweite innerhalb einer für das Unternehmen relevanten Community generieren und Interesse am Unternehmen und den angebotenen Produkten oder Dienstleistungen wecken, das anschließend zu einer wie auch immer gearteten Interaktion mit selbigem führt: Kommentar, Shares, Kontaktaufnahme, Weiterempfehlung, Produktkauf, you name it. Altruistisches Entertainment hat kein Unternehmen zum Ziel, und wenn es das behauptet, lügt es schlicht. Und da der moderne, medienaffine Mensch sich kein X mehr für ein U vormachen lässt, ist Social Media genau der Raum, in dem ich als Unternehmen (auch als Kanzlei), echt, nahbar, authentisch, und auch ein bisschen anders sein kann. Innovatives Kommunizieren im Social Web und Seriosität schließen sich nicht aus, im Gegenteil. Wenn ich es schaffe, meine Kanzlei-Markengeschichte transmedial so zu erzählen, dass Leute mir gerne zuhören, wissen wollen, was da noch kommt, meine Leute kennenlernen wollen … dann ist das große Kino, und ich habe viel erreicht. Was, wenn Menschen mich und meine Kanzlei kennen, bevor sie jemals einen Fuß in meine Büros gesetzt haben, weil die Menschen hinter der Persona Anwalt menschlich, nahbar und echt Teil einer Konversation im Web sind, zu der ich auch gehöre? Dann besteht ein Vertrauensverhältnis noch bevor sie mich im echten Leben kennengelernt haben. Und Vertrauen entsteht nicht durch Fakten, Vertrauen entsteht durch „ein gutes Bauchgefühl“. Und hier können Geschichten (der Anwälte wie der Mandanten) einen großen Beitrag leisten.
Was braucht es, um eine gute Geschichte zu schreiben?
Vor allem ein Grundverständnis darüber, was eine Geschichte ist, und wie sie aufgebaut sein muss, damit sie funktioniert. Ich fange, in klassisch journalistischer Manier, an, einen Helden zu finden, ihm zuzuhören, seine Geschichte und sein Drama herauszufinden, dieses erst nachzufühlen und dann nachzuerzählen. Erst dann kann ich überhaupt etwas niederschreiben, filmen, zeichnen, fotografieren, etc. Was genau eine Story ist und welcher Struktur sie folgt, habe ich an anderen Stellen, wie meinem Blog und in einer Broschüre bereits mehrfach erörtert.
Du bist ja Jurymitglied beim mandatum Social Media Award 2016. Worauf wirst du bei den Kanzleiauftritten im Web besonders achten?
Auf Echtheit. Authentizität. Nachprüfbarkeit des Erzählten. Spürbarkeit eines Erzählers. Ob überhaupt Geschichten erzählt oder nur Botschaften verpackt werden. Ob die Auftritte nur ein weiterer Verlautbarungskanal sind oder ein echtes dialogisches Angebot.
Lieber Tobias, wir freuen uns schon sehr auf deine Unterstützung beim mandatum-Social Media Award 2016. Vielen Dank!
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